1. Advent – ein Lichtlein brennt. Dies stimmt wohl mehr für die schön verschneite Schweiz. Wir haben das Gefühl, es sei mitten im Sommer, der Schweiss tropft auf die Tastatur und über die heisseste Zeit des Mittags sind wir froh um die schattenspendenden Fromager- und Baobabbäume.
Aber alles der Reihe nach: In Nouakchott erholen wir uns prächtig, ein Ausflug zum Fischerstrand und ein Einführungskurs im Fische-Ausnehmen runden die Eindrücke ab, bevor es nochmals zwei Tage durch Dünenlandschaften südwärts geht.
Die Landschaft wird zunehmend grüner: mit dem Ufer des Senegalfluss ist in Rosso auch die Bewässerungszone und damit die Getreidekammer Mauretaniens erreicht. Nachdem wir im ungemütlichen Grenzort keine passende Unterkunft finden, machen wir uns in der Dämmerung auf, einen Zeltplatz ausserhalb der Stadt zu suchen. Die Nacht bricht bereits herein, als ein Pickup anhält und Mr. Singh, ein indischer Entwicklungshelfer, uns aufgabelt und in seine Wohnung einlädt. Von seinem Kollegen, Mr. Ali, mit irakischen Gerichten verköstigt und nach interessanten Gesprächen schlafen wir wunderbar und nehmen am nächsten Tag die Piste zur Barrage de Diama unter die Räder. Der Damm führt am Nordufer des Senegal durch dessen Delta; Schilffelder, riesige seichte Wasserflächen, Fischerhütten und salzige Sumpfgebiete wechseln sich ab. Wir sehen ein Warzenschwein, Warane, unzählige Flamingos, Pelikane und viele andere Vögel, sowie Millionen von Mücken, die den nächtlichen Gang aus dem Zelt zur Tortur machen.
Der Grenzübertritt ist für uns problemlos, und so erreichen wir am 8. November St. Louis, die drittgrösste Stadt Senegals. Wir tauchen gleich ein ins westafrikanische farbenfrohe und lebhafte Chaos und lassen uns vom Lachen der Senegalesen anstecken – was für eine andere Welt. Wieder wird man als Frau in Gespräche verwickelt und die Umgangsformen ist im Vergleich zu den Mauris herzlicher und offener.
Wir gönnen uns in der Zebrabar nochmals eine längere Pause, machen Bekanntschaft mit Sabine und Burkhard, ebenfalls zwei Weltenbummler, und verbringen viel Zeit bei Kaffee, Kuchen und gemeinsamen Nachtessen. Auch in St. Louis: wir besuchen ein gefürchtetes "Cabinet Dentaire", wo Iris' Zähne tadellos und zu einem Spottpreis geflickt werden.
Wieder en route radeln wir durch sandige Savannenlandschaften, deren Baumbestand immer dichter und höher wird, bis auch riesige Baobabs aus der Erde ragen. In einem kleinen Rundhüttendorf fragen wir nach einem Platz zum Übernachten, werden vom Dorfchef akzeptiert und kochen unter zahlreichen beobachtenden Augenpaaren Süsskartoffeln, Rettich und Karotten – was es im Moment so gibt im Senegal.
Auch sonst hat sich unser Speiseplan etwas verändert: zwischendurch essen wir Erdnüsse, zum Znacht gibts ausser den obligaten Teigwaren mal Yams, Kohl oder gegen Ende Monat auch frische Tomatensauce. Nur am Mittag bleiben wir unserer Brot- und Schachtelkäsediät treu, allerdings wird diese immer öfter durch Bananen und Papaya ergänzt.
Die Millionenstadt Dakar lassen wir rechts liegen, wir fahren direkt in die Erdnussmetropole Kaolack, wo wir drei Nächte in der Mission Catholique bleiben. Gerade im Sine-Saloum-Delta hat es nämlich recht viele christliche Dörfer, was wir auch an den im Abfall wühlenden Schweinen merken. Die verschiedenen Religionen leben hier problemlos nebeneinander, oft steht im selben Dorf eine vom saudischen Königshaus gesponserte Moschee unweit der europäisch unterstützten Mission... An allen Fronten wird im Senegal um Einfluss gerungen: italienische Wassertürme, taiwanesische Strassen, Pickups mit der Aufschrift, der Ford sei "un don du peuple americain", chinesische Brücken, europäische Kindergärten: jedes Dorf hat ein paar Tafeln am Ortseingang, die die edlen Spender benennen, und für jedes Kind ist sonnenklar, dass der reiche Toubab ihm ein Geschenk geben will...
In Kaolack besuchen wir den lebhaften Markt, Iris lässt sich einen Rock schneidern und wir machen einen misglückten Ausflug ins Sine-Saloum-Delta. Zwar sehen wir Pelikane so nahe wie noch nie, sind beeindruckt von den Mangroven-Bolongs, doch unser Guide zockt uns durch und durch ab, was einen Schatten auf unseren Kaolack-Aufenthalt wirft.
Doch auf der Fahrt richtung Gambia hebt sich unsere Stimmung wieder. Landschaftlich ist es fantastisch, mit jedem Kilometer wirds noch grüner, es wachsen Ölpalmen, Cashew- und Mangobäume, und überall sieht man Farbtupfer auf den Feldern: meist Frauen in farbigen Kleidern mit riesigen Lasten auf den Köpfen.
Wir folgen dem Gambia River am Nordufer. Die Strecke führt uns durch Galeriewälder und saftig grüne Felder, übernachten tun wir meist im Busch und schlafen wegen der warmen Temperaturen nur unter dem Moskitonetz und dem hellen Vollmond. Wir rasten einen Tag in Georgetown, bringen unsere Velos nach 10'000km auf Vordermann und geniessen die idyllische Lodge am Gambia. Weitere drei Tage fahren wir durch Baumwollfelder und riesige Bananenplantagen nach Tambacounda. Hier stehen wir wieder einmal vor der Entscheidung, weiterzureisen oder für Weihnachten nach Hause zu kehren.
Natürlich kauen wir wieder Tage an diesem Entscheid. Der ganze Weg durch den Niokolo-Koba-Nationalpark bis hierher nach Kedougou kreisen unsere Gedanken darum. Zum Glück lenken uns Affenherden, exotische Vögel, Warzenschweine und Nilpferde etwas ab.
Aber keine Angst: es wir noch weitere Berichte geben, uns ist nämlich zu Ohren gekommen, dass der Schnee zu Pflotsch geworden sei, dass es nass und kalt sei in der Ach-so-schönen-Schweiz, und so radeln wir schwitzend, täglich je sechs Liter Wasser trinkend weiter nach Mali und Burkina Faso.
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Liebe Iris. lieber Tom wir
Regenzeit